05.05.2021

Interview mit Dr. Claudia Conen und Marcus Schulz

Mobilitätsmanagement ist ein essenzielles Thema für Unternehmen aller Branchen mit großen Auswirkungen auf Mitarbeiter:innen- und Kundenzufriedenheit, aber auch auf Nachhaltigkeit. Um Klimaziele zu erreichen – so Expert:innen – braucht es eine Verkehrswende. Wir wollen uns in den kommenden Ausgaben regelmäßig mit wichtigen Aspekten der Mobilität befassen. Den Auftakt macht ein Interview mit Geschäftsführung und Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. (BDL), der speziell zur Mobilität ein neues Gremium geschaffen hat. (Red.)

Der BDL legt einen neuen Verbandsschwerpunkt auf das Thema Mobilität. Warum?

Claudia Conen: Mobilität ist neben Digitalisierung und Nachhaltigkeit eines der Megathemen unserer Zeit. Mobilität ist die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und eng verknüpft mit der individuellen Freiheit. Nicht zuletzt ist der Transport von Waren und die Beförderung von Menschen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Individualverkehr bringt aber auch Nachteile: Verkehrsstau, Parkplatzmangel, gestresste Pendler, nicht zuletzt beschleunigt er über den C02 -Ausstoß den Klimawandel.

Hier werden neue Formen gesucht, die umwelt- und ressourcenschonend sind, die Lebensqualität erhalten und wirtschaftlich praktikabel sind. Umgekehrt ist gerade die Leasing-Branche aufgefordert, die Zukunft der Mobilität mitzugestalten. Schließlich macht allein Fahrzeug-Leasing etwa zwei Drittel des gesamten Leasing-Neugeschäfts aus. Das Thema Mobilität wird jedoch die anderen Fachthemen des BDL nicht ablösen oder ersetzen, sondern ergänzen.

Marcus Schulz: Leasing-Gesellschaften sind nicht nur Experten für Pkw und Nutzfahrzeuge, vielmehr beschäftigen wir uns bereits ganzheitlich mit Mobilität. Viele Mobilitätskonzepte in Unternehmen basieren heute schon auf der Finanzierungsart Leasing, häufig ergänzt um weitere Dienstleistungen. Daher ist es für uns nur folgerichtig, dass der Verband eine Plattform anbietet, um die verschiedenen Akteure rund um das Thema Mobilität zusammenzubringen.

Wie sieht das konkret aus?

Claudia Conen: Wir haben ein Arbeitsgremium „Mobilität für Deutschland“ ins Leben gerufen mit Leasing-Unternehmen und Partnern unseres assoziierten Mitglieds VMF – Verband markenunabhängiger Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften e. V. Dabei war uns wichtig, die Branchenvielfalt, die sich in den Geschäftsmodellen und der Eigentümerstruktur widerspiegelt, zusammenzubringen. Das Gremium beschäftigt sich mit den Mobilitätsfragen der Zukunft. Die Diskussionen werden einmal im Jahr in eine Veranstaltung fließen. Das „Forum Mobilität“ soll in diesem Jahr zum ersten Mal stattfinden. Zudem werden wir die Ergebnisse mit weiteren Interessengruppen diskutieren sowie in die Gesetzgebungsprozesse einbringen.

Marcus Schulz: In diesem Gremium arbeiten auch Unternehmen aus dem Umfeld der Branche mit, die nicht unmittelbar mit Fahrzeug-Leasing zu tun haben. So erweitern wir unseren Horizont in Richtung ganzheitlicher Mobilitätsprozesse. Ziel ist es, die Expertise beider Verbände zu bündeln, um praktikable Lösungen für eine nachhaltige, umweltschonende Mobilität für Menschen und Unternehmen in Deutschland zu entwickeln.

Welche Zukunftsthemen diskutiert das Gremium?

Marcus Schulz: Ein großes Thema ist es, Mobilität und Umweltschutz miteinander zu verbinden. Die Energiewende und die damit verbundene Verbreitung alternativer Energieträger und Antriebe können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Hinzu kommt das stetig zunehmende, große Interesse der privaten Verbraucher an Leasing, Auto-Abos, Car-Sharing und kurzfristiger Miete. Auch der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs spielt eine große Rolle. Die Herausforderung der Mobilität von Morgen wird es sein, eine nahtlose Verknüpfung aller verfügbaren Angebote zu schaffen, denn die beste Lösung kann sich nicht mehr auf ein einzelnes Verkehrsmittel beschränken.

Claudia Conen: Denkt man noch weiter, geht es auch um eine neue mobile Arbeitswelt, wie wir sie während der Corona-Pandemie bereits erlebt haben. Die Fragestellungen rund um die Mobilität sind entsprechend komplex, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Förderansätze herausfordernd und oft nicht auf Praktikabilität abgestimmt. Zugleich hat die Corona-Krise gezeigt, dass wir nicht immer allzu weit in die Zukunft schauen können. Viele neue Konzepte – von Car-Sharing bis Ride-Sharing – haben einen Rückschlag erfahren. Stattdessen erleben wir eine Renaissance des eigenen Autos, des Dienstwagens. Dies kommt wiederum dem Leasing zugute, denn, geprägt durch die Sharing Economy, steht die Nutzung im Vordergrund, nicht das Eigentum am Fahrzeug.

Elektrofahrzeuge sind stark im Kommen. Ist Elektromobilität seit der Umweltprämie ein Selbstläufer oder bedarf es Unterstützung?

Claudia Conen: Seit vergangenem Sommer beschäftigt sich der BDL intensiv mit der Umweltbonus-Richtlinie, dem Kumulationsverbot und mit der Integration des Leasings in die staatliche Förderung sowie mit den weiteren Auswirkungen und Ausgestaltungen auf das Leasing-Geschäft. Das Kumulationsverbot wurde letztlich zurückgenommen. Es ist bereits jetzt absehbar, dass wir in spätestens zwei Jahren wieder mit verschiedenen Ministerien verhandeln und Lösungsoptionen mit den politischen Akteuren ausloten. Da derzeit die Prognosen für die Bundestagswahl auf eine Regierung aus CDU/CSU und Grünen hindeutet, kann dieses Thema nochmals beflügelt werden.

Marcus Schulz: Das Feld der E-Mobilität und Ladeinfrastruktur verändert sich kontinuierlich. Viele Flottenmanager schreckt teilweise die noch lückenhafte Ladeinfrastruktur davon ab, auf E-Flotten umzusteigen. Um ein vollumfängliches Vertrauen für die Nutzung des Elektrofahrzeuges im Alltag zu fördern, benötigt es eine erhöhte Beratungsleistung. Auch eine Zurverfügungstellung für „längere Testfahrten“ im Alltag ist hilfreich, um die Akzeptanz auf die persönliche Situation realitätsnäher erfassen zu können. Hier muss noch viel getan werden. Dazu bedarf es des Austauschs mit den Kommunen und kommunalen Unternehmen. Auch die Entwicklung der Restwerte wird bei Elektroautos im Zusammenhang mit der Umweltprämie kritisch diskutiert. Dies sind ganz praktische Themen des Mobilitäts-Gremiums.

Bedeuten neue Mobilitätskonzepte nicht auch einen Abschied vom klassischen Leasing?

Claudia Conen: Die Automobilwelt befindet sich seit geraumer Zeit im Wandel. Wer nur am Bisherigen festhalten will, wird sich künftig nicht auf dem Markt halten können. Es sind ja nicht nur die Autohersteller, die alternative Mobilitätskonzepte entwickeln. Der Wettbewerb wird auch von branchenfremden Unternehmen wie Google oder Apple beeinflusst. Wer sich die rasante Entwicklung in der Digitalisierung ansieht, kann sich vorstellen, wie schnell hier Disruption drohen kann, wenn man das Feld den anderen überlässt. Aber ich bin mir sicher, dass die Leasing-Wirtschaft den Wandel erfolgreich begleiten wird. Die Branche war in ihrer fast GO-jährigen Geschichte immer innovativ und hat sich einerseits wandelnden Kundenbedürfnissen angepasst, andererseits hat sie dazu beigetragen, Innovationen erfolgreich in die Märkte zu befördern.

Marcus Schulz: Die klassische reine Finanzierung beim Fahrzeug-Leasing ist doch weitgehend passe und wird mit Serviceangeboten der Leasing-Gesellschaften bis zur Übernahme des kompletten Fuhrparkmanagements ergänzt. Viele Leasing-Unternehmen bieten längst Kurz- oder Langzeitmiete oder sogar Auto-Abos an, um ihren Kunden Flexibilität zu ermöglichen. Darüber hinaus haben wir als Leasing-Branche einen weiteren Vorteil: Wir sind eben nicht nur Finanzierer, sondern Branchenexperten, halten engen Kontakt zum Kunden und kennen seine Bedürfnisse. Daher sind wir prädestiniert, neue Konzepte aus Nutzersicht zu bewerten. Denn egal ob Shared Mobility, autonomes Fahren oder völlig innovative Ideen wie Hyperloop oder Drohnentaxis, aktuell werden neue Mobilitätskonzepte hauptsächlich technologiegetrieben beurteilt. Es ist jedoch klar, dass sich Verkehrskonzepte nur dann erfolgreich wirtschaftlich etablieren werden, wenn sie den Nutzern Vorteile bieten und ihre Bedürfnisse erfüllen. Und die kennen wir nicht zuletzt aufgrund unserer jahrelangen Erfahrung besser als andere.