Stellungnahme
VMF sorgt sich um Unternehmensmobilität / Kundenbeschwerden häufen sich / Über 50 % aller Neuzulassungen über Leasing und Autovermieter
Bad Homburg, im Juni 2022. Mit 2,6 Millionen Neuzulassungen war 2021 kein gutes Jahr für die Automobilindustrie. Dennoch sind gewerbliche Kunden eine verlässliche Stütze und Einnahmequelle der Hersteller und die Mobilität der deutschen Wirtschaft hat wiederum eine hohe Bedeutung für den Erfolg der Unternehmen. Das bedeutet Arbeitsplätze, gute Versorgung und Wohlstand. Im März 2022 gab es einen weiteren Neuzulassungsrückgang von 17,5 Prozent. 9,8 Prozent bei den privaten, 21,5 Prozent bei den gewerblichen Zulassungen. „Das Ungleichgewicht ist leider kein Zufall“, sagt Frank Hägele, der Vorsitzende des Verbands markenunabhängiger Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften e. V. (VMF). Und weiter: „Wir beobachten, dass bei den eingeschränkten Produktionsmöglichkeiten weniger für die gewerbliche Wirtschaft produziert wird und die Kosten der Mobilität für Unternehmer überdurchschnittlich steigen.“ Der VMF empfiehlt in dieser Sondersituation eine ausgewogenere Verteil- und Produktionspolitik.
Nicht nur im letzten Jahr wurde mehr als die Hälfte der Neufahrzeuge von Leasinggesellschaften und Autovermietern geordert. „Alleine die deutsche Leasingbranche investierte 2021 über 40 Milliarden Euro in Pkw und Nutzfahrzeuge. Wir sorgen für einen wichtigen Teil von Mobilität im Inland, zählen zu den größten und nachhaltigsten Kunden der Automobilindustrie, oft mit vereinbarten Mindestabnahmemengen. Und wir sorgen durch die große und regelmäßige Abnahme dafür, dass der Markt in Bewegung ist und die Hersteller in Forschung und Entwicklung investieren können. Dazu kommt, dass neue Technologien sich durch uns schneller durchsetzen können“, weil in den Flotten stets die neuesten Fahrzeugmodelle zu finden sind. So beschreibt Frank Hägele die Bedeutung von Leasing, Vermietung und Auto-Abo. Diese Services werden von den VMF-Mitgliedern angeboten, die sich aus herstellerunabhängigen Leasing- und Fuhrparkmanagementgesellschaften sowie Autovermietern zusammensetzen. Obwohl die VMF-Mitglieder Jahr für Jahr kontinuierlich Neufahrzeuge bestellen und dabei die Kunden auch bei der Markenwahl beraten, sehen sie in der aktuellen Engpasssituation keine ausgewogene Allokationspolitik.
Zur Sache: Die Verfügbarkeit von Fahrzeugen war schon vor den aktuellen Entwicklungen der Chipkrise, dem Krieg in der Ukraine und der Coronapandemie höchst problematisch. Jetzt ist es für die Mitgliedsunternehmen des VMF und gewerbliche Flottenbetreiber im Allgemeinen praktisch unmöglich, entsprechende Fahrzeuge großflächig und verlässlich zu beschaffen. Einerseits die Lieferketten- und Produktionsprobleme, die nach Auffassung des VMF auch nicht kurzfristig behoben werden können, sowie die erheblichen Investitionen andererseits, die die Fahrzeughersteller tätigen müssen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu halten und auszubauen, führen zu einer angespannten Liefersituation. Das Ergebnis sind Produktions- und Bestellstopps, der Auslauf ganzer Modellreihen, die Anpassung von Rahmenabkommen und steigende After-Sales-Kosten (Wartung, Reifen et cetera).
Die Konsequenz: Durch die beschriebene Mangelsituation am Markt hagelt es Preisanpassungen beziehungsweise -erhöhungen und Meldungen über Ausverkauf. Schlimmer: Einige Hersteller sagen seit geraumer Zeit bereits fest bestellte und zugesagte Volumina insbesondere bei herstellerunabhängigen Leasinggesellschaften und Autovermietern ab. Gleichzeitig werden höhere Margen bei geringerem Volumen gemeldet. Grund: Offensichtlich werden die machbaren Produktionskapazitäten genutzt, um die vorhandenen Chips und rar gewordene Bauteile in Fahrzeugen zu verbauen, die zu besseren Konditionen und höheren Preisen an Privatkunden verkauft werden können.
Im Gesamtbild zeigen die aktuellen Ergebnisse der Hersteller starke Erträge trotz teilweiser deutlich verminderter Mengen. Die Margen werden somit in die Höhe getrieben, während Großkunden, wie etwa Leasinggesellschaften und Autovermieter, das Nachsehen haben in den Bereichen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. „Dass Hersteller in einer nicht einfachen Situation sind, ist klar. Problematisch ist aber, wenn bestellte und fest zugesagte Liefertermine ohne rechtzeitige Information nicht eingehalten werden“, so Hägele. Er sieht die VMF-Mitglieder auch als wichtigen Partner der Hersteller, denn nur durch große Mengen an gewerblichen Neuzulassungen können die Hersteller etwa ihre CO2-Flottengrenzwerte einhalten. Zudem sind gerade Großabnehmer im Bereich nachhaltiger Antriebstechnologien stark aufgestellt und haben hier eine wichtige Schaufensterfunktion. „Die Beschwerden von unseren Kunden häufen sich. Auch wenn es sich bei den Lieferzusagen zumeist um unverbindliche Zusagen mit einem gewissen Spielraum handelt, erwarten die Kunden eine aktive und besserer Informationspolitik“, unterstreicht Hägele.
Kommunikation und Kundenbindung nicht unterschätzen
Alle Marktteilnehmer sollten Hand in Hand arbeiten, um die schwierige Situation zu meistern. Viele Probleme sind nicht hausgemacht und der Sondersituation durch Pandemie und Krieg in Europa geschuldet. „Wichtig ist eine transparente Kommunikation auf Augenhöhe. Nur wenn die Mitgliedsunternehmen des VMF und ihre Kunden nachvollziehbare und rechtzeitige Informationen erhalten, dann können sie adäquat handeln und entscheiden“, so Hägele , etwa mit Blick auf die Probleme hinsichtlich der Liefertermine. Auch teilweise deutliche und plötzliche – nicht angekündigte – Preiserhöhungen sind schwer nachvollziehbar.
Eine wichtige Kennzahl für zukünftigen Erfolg ist der Customer Lifetime Value (CVL). Je besser und positiver das Kundenerlebnis ist, desto höher die Kundenbindung. Autovermieter, die nun mehrfach erleben müssen, dass dringend benötigte Fahrzeuge zwar da sind, aber an andere ausgeliefert werden, werden sich Gedanken über ihre Partner machen müssen. Bestehende gute Kunden zu pflegen und zu halten ist günstiger, als neue Kunden zu akquirieren, laute die dazu passende Binsenweisheit. Dazu kommt, dass bei Full-Service-Verträgen die Leasinggesellschaften die Fahrzeuge in die Werkstätten des Fabrikatshandels steuern. Auch das trägt zur Markenbindung bei.
Gemeinsam für die Unternehmensmobilität
Inzwischen wird es bereits schwierig, insbesondere für Fuhrparks relevante Business-Modelle zu bestellen. Das wird von diversen Herstellern derzeit nicht mehr angeboten. Einige Hersteller konzentrieren sich auf die margenträchtigeren, höheren Ausstattungslinien. „Wir setzen darauf, dass die Hersteller mit uns gemeinsam einen stärkeren Fokus auf die Kosten der Unternehmensmobilität setzen, um die Kosten nicht weiter in die Höhe zu treiben. Das ist ein wichtiger Baustein dafür, dass Deutschland gut durch diese Krise kommt“, so Hägele. Lieferzusagen sind im gewerblichen Segment besonders wichtig, da die Fahrzeugmobilität erfolgskritisch ist für gewerbliche Nutzer. Außerdem sind die Prozesse der Neu- oder Ersatzinvestition sowie eines Austauschs und Aussteuerung von Flottenfahrzeugen wesentlich komplexer als bei einem privaten Fahrzeugwechsel.
VMF-Vorstandsvorsitzender Frank Hägele (Foto) appelliert an die Automobilhersteller: „Unsere gemeinsamen Kunden sollen nicht Verlierer in dieser Engpasssituation sein.“