Das große Ziel: Autofahrer:innen auf der ganzen Welt den erlittenen Schaden noch am selben Tag fair zu ersetzen. Wie das funktionieren soll? Mit den modernen Möglichkeiten der Technik. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) soll eine vielseitig einsetzbare automatische Schadenerkennung für Fahrzeuge etabliert werden. Das ist die Vision von ControlExpert in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland rundlage dafür ist die Übermittlung und Auswertung unzähliger Daten.
Um dieses Ziel zu erreichen, kommt es neben skalierbaren, globalen Abläufen auf die durch den Einsatz von KI gegebene objektive Entscheidungsfindung sowie Schnelligkeit durch Prozessautomatisierung an. Und dafür braucht es Daten; meist in Form von Fotomaterial, welches die Fahrer:innen eines beschädigten Pkw selbst übermitteln. Durch eine KI-basierte Datenextraktion lässt sich die Fotoauswertung und damit die Schadenabwicklung automatisieren. Damit erhalten KI-Modelle Einzug in den Automotive-Bereich. Das spart langfristig nicht nur menschliche Ressourcen, sondern auch Zeit. Außerdem verhindert es Flüchtigkeitsfehler und vermeidet Diskussionen aufgrund von subjektiven Wahrnehmungen.
Ablauf
Durch Kombination des einzigartigen Know-hows in der Schadenbewertung des TÜV Rheinland und des umfassenden Technologiewissens zur automatisierten Schadenbewertung von ControlExpert soll die automatisierte Schadenerkennung für Kfz-Schäden revolutioniert werden. Die automatische Bilderkennung fungiert dabei als Schlüsseltechnologie. Dies führt zu einer effizienteren Identifikation von Schäden, welche anschließend binnen kürzester Zeit reguliert werden können.
In einem ersten Schritt erkennt das Programm zunächst diverse Autoteile auf Fotos und klassifiziert diese entsprechend. Im Anschluss werden die Autoteile bewertet und mögliche Schäden erkannt. Anschließend wird der Grad einer Beschädigung eingestuft. Die Software entscheidet, ob ein Teil repariert werden kann oder ausgetauscht werden muss. In einem vierten Schritt werden die zu erwartenden Reparaturkosten ermittelt. Dies geschieht, indem erkannte beschädigte Teile in ein Kalkulationsprogramm eingespeist werden.
Quelle: Vortrag „Einsatz von künstlicher Intelligenz im Automotive-Bereich“ von Dr. Sebastian Schoenen auf einem VMF-Branchenforum
Erfolgsfaktoren und Herausforderungen
Je höher die Bildqualität, desto mehr kann die künstliche Intelligenz erkennen und in der Folge richtig klassifizieren. „Um eine detaillierte Schadenbeschreibung zu ermöglichen, müssen die KI-Modelle in der Lage sein, den Schaden so präzise wie möglich zu identifizieren. Entscheidend sind dabei die Anzahl und Qualität der Daten. Die KI-Modelle müssen pixelgenau erkennen können, welcher Bereich zum Schaden gehört. So lassen sich betroffene Bauteile automatisiert abgrenzen, das Ausmaß der Beschädigung genau festlegen und in der Folge der jeweils beste Reparaturweg und entsprechende Kosten ableiten“, erläutert Dr. Sebastian Schoenen, Leiter Forschung und Entwicklung bei ControlExpert.
Allerdings gibt es bei der Bewertung von Gebrauchtfahrzeugen besondere Herausforderungen, wie Alexander Keil, Projektleiter bei TÜV Rheinland, weiß: „Hier liegen oft nur kleine Schadenbilder vor, die wir dennoch sehr differenziert bewerten müssen. Außerdem sind gerade beim Leasing je nach Vertragsgestaltung individuelle Bewertungsstandards anzusetzen. Im Ergebnis bedarf es oft spezieller Reparaturmethoden.“
Quelle: Vortrag „Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich Automotive“ von Dr. Sebastian Schoenen auf einem VMF-Branchenforum
Weitere Einsatzmöglichkeiten
Die digitale Dokumentation des Fahrzeugzustands im Rahmen der Leasingrückgabe ist ebenfalls via der neuartigen Bilderkennungstechnologie umsetzbar. Damit ist eine digitale Leasingrückgabe denkbar. Eine große Herausforderung bei der Leasingrückgabe sind die zunehmend kürzer werdenden Nutzungszyklen, was zu einer steigenden Anzahl an Rückgaben führt. Außerdem ist nicht immer der Gutachter vor Ort die präferierte Lösung. Dazu kommt es zu einer zunehmenden Vernetzung von Logistik, Gutachter und Fuhrparkmanagement. Digitalisierte Prozesse können hier Abhilfe schaffen, müssen aber auch fair sein und reibungslos laufen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Beschleunigung des Rückgabeprozesses mit direkter Integration in Folgeprozesse, Bewertung durch den Kunden oder die Kundin selbst mit entsprechender KI-Unterstützung, Integration in bestehende Systeme über Schnittstellen und strukturierte Daten sowie neutrale Bewertung nach TÜV-Rheinland-Standards.
Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung von Lösungen für die Fahrzeug- und Schadenbewertung über die gesamte Lebensdauer. Das soll unter anderem ein verbessertes Schadenmanagement, einen Fahrzeugscanner sowie Telemetrie umfassen. Denkbar sind dadurch die Schadenerkennung binnen weniger Sekunden nach einem Unfall sowie die automatische Schadenmeldung inklusive erkannter Schäden.
Einsatz von Fahrzeugscannern
Wie die KI zur Schadenbewertung zum Einsatz kommen kann, zeigt der adomea Scanner vom TÜV Rheinland. Der vollautomatisierte (Hagel)Dellen-Scanner wird bereits seit Jahren von führenden Versicherern erfolgreich eingesetzt. Die neueste Scanner-Generation ist aber nicht nur auf Hagelschäden spezialisiert, sondern kann weitere Karosserie-Oberflächenbeschädigungen wie beispielsweise Kratzer oder Steinschläge erkennen. Dies ist die Basis für den Einsatz bei Gebrauchtwagenbewertungen, Flottenanbietern oder im Gefahrenübergang, aber auch OEMs werden zunehmend auf die Technologie aufmerksam – beispielsweise im Bereich Lackierung oder End of Line. „Durch die KI-basierte Schadenerkennung ist eine Messzeit von 45 Sekunden und eine Auswertungszeit von 90 Sekunden möglich. Das bedeutet eine enorme Zeitersparnis. Gleichzeitig garantieren wir aber auch höchste Präzision“, erklärt Robert Kröwing, Head of Digital Transformation Mobility Services bei TÜV Rheinland. Darüber hinaus kann der Fahrzeugscanner Schäden filtern und klassifizieren. So kann der Anwender je nach individuellem Einsatzzweck eine Schwelle festlegen, ab der ein Ereignis überhaupt als Schaden bewertet wird. „Der Scanner ist derzeit der Einzige am Markt, der Schäden mit patentieren Verfahren im Millimeter-Bereich tatsächlich misst“, betont Kröwing.
Übrigens: Wenn es um Leasing-Rückläufer geht wird häufig gestritten, was denn nun ein tatsächlich vom Leasingnehmer zu bezahlender Schaden ist. Um Transparenz bei der Leasingrückgabe zu schaffen und hohe Kosten zu vermeiden, bietet der VMF die Faire Fahrzeugbewertung an. Leasingnehmer haben damit den Vorteil, dass sie von Anfang an die Berechnungsgrundlage von Schäden kennen, die während der Laufzeit am Fahrzeug entstehen können. Bei nicht sicherheitsrelevanten Schäden werden zudem häufig nur anteilige Reparaturkosten angesetzt und bestimmt laufzeit- und laufleistungskonforme Beschädigungen werden sogar komplett kostenfrei akzeptiert.
Der adomea Scanner kann dank KI Hagelschäden sowie weitere Karosserie-Oberflächenbeschädigungen erkennen.